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BAG: Ohne Aufforderung Urlaub zu nehmen keine Urlaubsverjährung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in zwei Urteilen vom 20. Dezember 2022 entschieden, dass der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch ohne Hinweis und Aufforderung des Arbeitgebers, Urlaub zu nehmen, weder verfallen noch verjähren kann. Das BAG setzt damit zwei Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) um. Bislang liegen nur die Pressemeldungen des Bundesarbeitsgerichts vor, Az. 9 AZR 266/20 beziehungsweise Az. 9 AZR 245/19 . Die ausführlichen Entscheidungstexte von BAG-Urteilen erscheinen regelmäßig erst einige Monate später.

Umsetzung der Entscheidungen durch das BAG

Aus den Pressemitteilungen des BAG zu den Umsetzungsentscheidungen wird ersichtlich, dass das BAG die Vorgaben des EuGH umsetzt, ohne darüber hinauszugehen. Quintessenz ist, dass der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch nicht verfallen oder verjähren kann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer trotz Möglichkeit nicht auf den Urlaubsanspruch hingewiesen und dazu aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen, da dieser ansonsten zu verfallen drohe.

Einordnung und Bewertung

Die Entscheidungen setzen die vom EuGH erst 2018 etablierte Hinweis- und Aufforderungsobliegenheit des Arbeitgebers zur Urlaubnahme seiner Arbeitnehmer gnadenlos auch für die Vergangenheit durch. Kritikwürdig ist, dass kein Vertrauensschutz bezüglich Altfällen von vor 2018 gewährt wird, als noch niemand die Hinweis- und Aufforderungsobliegenheit kannte.

Trotzdem lassen die Entscheidungen keine Klagewelle befürchten. Entgegen einigen Interpretationen in der Presse nimmt das BAG in seinen Urteilen gerade keine unbegrenzte Übertragung von Urlaubsansprüchen an. Es gilt weiterhin:

  • Die Vorgaben gelten nur für den gesetzlichen Mindesturlaub von vier Wochen pro Kalenderjahr. (Tarif-)Vertraglicher Mehrurlaub kann nach vereinbarten Regeln auch unabhängig von einer Mitwirkung des Arbeitgebers verfallen.
  • Erfüllt der Arbeitgeber seine Hinweis- und Aufforderungsobliegenheit, verfällt auch der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch grundsätzlich schon zum Ende des Urlaubsjahres nach § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz.
  • Die Rechtsprechung des BAG, wonach der Urlaub von langzeiterkrankten Arbeitnehmern 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres verfällt, bleibt aufrechterhalten. Das gilt für Jahre, in denen der Arbeitnehmer das gesamte Jahr arbeitsunfähig war, auch ohne Erfüllung der Hinweis- und Mitwirkungsobliegenheit durch den Arbeitgeber (vgl. BAG 07. September 2021, Az. 9 AZR 3/21).
  • Der Urlaubsabgeltungsanspruch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses unterliegt der Verjährung oder etwaigen Ausschlussfristen (vgl. BAG 18. September 2018, Az. 9 AZR 162/18).

Tipps zur Behandlung von Alturlaubsansprüchen

  • Arbeitgeber sollten ihre Arbeitnehmer möglichst frühzeitig im Jahr förmlich zur rechtzeitigen Urlaubnahme auffordern und auf den möglichen Verfall des Urlaubs zum Ende des Bezugszeitraums hinweisen.
  • In laufenden Arbeitsverhältnissen ist es möglich und lohnt es sich, den Hinweis in späteren Jahren ausdrücklich auch für vergangene Bezugszeiträume nachzuholen, wenn daraus noch Resturlaubsansprüche in Betracht kommen.
 Annette Horstkotte
Annette Horstkotte
Syndikusrechtsanwältin • Fachanwältin für Arbeitsrecht

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